• Fachbeitrag

Exoskelette sind zur Unterstützung gedacht, wenn anderes nicht geht

Exoskelette sind längst mehr als nur Zukunftsvision – sie ziehen in Werkhallen, Lagerhäuser und Pflegeeinrichtungen ein. Die tragbaren Stützsysteme entlasten den Körper bei körperlich anstrengender Arbeit und könnten ein Schlüssel im Kampf gegen Muskel- und Skeletterkrankungen sein. Doch der Weg in die Praxis ist nicht ohne Hürden: Hohe Kosten, technische Grenzen und offene rechtliche Fragen bremsen den flächendeckenden Einsatz. Wie realistisch ist der Durchbruch der Technik – und wo liegt ihr echtes Potenzial?

Fotos: Messe

Messethema Exoskelette auf der A+A 2025

Exoskelette – das klingt nach Science-Fiction, ist in vielen Branchen aber bereits Realität. Die tragbaren Stützsysteme, die den menschlichen Bewegungsapparat bei körperlich belastenden Tätigkeiten unterstützen, werden zunehmend in Industrie, Handwerk, Logistik und sogar in der Pflege eingesetzt. Ziel ist es, die körperliche Belastung zu reduzieren, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und langfristig Ausfallzeiten zu minimieren.
Die Funktionsweise ist einfach: Exoskelette werden wie ein Rucksack oder eine Weste am Körper getragen. Je nach Ausführung unterstützen sie den Oberkörper, den Rücken, die Schultern oder die Beine – passiv durch Federmechanismen oder aktiv durch Elektromotoren. Besonders verbreitet sind Modelle, die bei Überkopfarbeiten in der Montage die Armmuskulatur entlasten oder beim Heben schwerer Lasten den Rücken stützen [Quelle: Fraunhofer IPA, 2023]..
Auch im Lagerwesen oder auf dem Bau werden Exoskelette getestet, etwa beim Tragen von Lasten oder bei knienden Arbeiten. Sie können dabei helfen, typische Berufskrankheiten wie Bandscheibenvorfälle oder Gelenkverschleiß vorzubeugen. Laut einer Marktanalyse des Fraunhofer IAO sind vor allem körperlich stark beanspruchte Arbeitsplätze potenzielle Einsatzfelder – vorausgesetzt, die Exoskelette werden ergonomisch angepasst und in die Arbeitsprozesse integriert [Quelle: Fraunhofer IAO, 2021].
Auch im Gesundheitswesen zeigen sich neue Perspektiven: In der Pflege könnten Exoskelette helfen, Patientinnen und Patienten sicherer und rückenschonender zu heben. Erste Projekte, etwa in Reha-Einrichtungen oder Altenpflegeheimen, laufen bereits in Deutschland und Japan [Quelle: VDE, 2022].
Trotz der vielen Chancen sind die Systeme in der breiten Anwendung noch nicht angekommen. Zu den größten Herausforderungen zählen die hohen Anschaffungskosten, die teilweise eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die Notwendigkeit, jedes Exoskelett auf individuelle Nutzer und Tätigkeiten abzustimmen. Auch rechtliche Fragen zum Einsatz, etwa zur Arbeitssicherheit oder zur Tragezeit, sind noch nicht abschließend geklärt [Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2021].
Dennoch ist das Potenzial enorm. Exoskelette könnten zu einem zentralen Element des modernen Arbeitsschutzes werden – besonders in einer Arbeitswelt, die zunehmend altert und Fachkräfte bindet. Voraussetzung dafür ist ein intelligenter, mitarbeiterzentrierter Einsatz – nicht als Ersatz für Menschen, sondern als Erweiterung ihrer körperlichen Fähigkeiten.

Dr. Schneider, muskuloskelettale Erkrankungen sind weltweit die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Warum ist dieses Thema so relevant, insbesondere auch für junge Arbeitnehmer?
Dr. Urs Schneider: Muskuloskelettale Erkrankungen betreffen nicht nur ältere Arbeitnehmer, sondern zunehmend auch jüngere. Durch langanhaltende Fehlbelastungen und schwere körperliche Arbeit können bereits früh im Berufsleben Beschwerden auftreten. Mit der steigenden Lebenserwartung und einer alternden Belegschaft ist es umso wichtiger, frühzeitig präventive Maßnahmen zu ergreifen, um langfristige Einschränkungen zu vermeiden.

Welche ergonomischen Prinzipien empfehlen Sie zur Prävention von muskuloskelettalen Erkrankungen?
Dr. Urs Schneider: Ein bewährtes Vorgehen ist das sogenannte TOP-Prinzip. Hierbei werden technische Maßnahmen wie Hebehilfen oder Arbeitsplatzanpassungen zuerst umgesetzt, bevor organisatorische oder persönliche Maßnahmen erwogen werden. Exoskelette sollten erst dann eingesetzt werden, wenn andere ergonomische Lösungen nicht erfolgreich sind. Sie können eine wertvolle Ergänzung sein, aber sie sind nicht die erste Wahl.

Welche Forschungsarbeiten führt das Fraunhofer IPA im Bereich Ergonomie und Exoskelette durch?
Dr. Urs Schneider: Unser Institut in Stuttgart arbeitet in mehreren Bereichen. Wir führen biomechanische Analysen im Feld und im Labor durch, entwickeln Exoskelette für spezifische Anwendungen und setzen digitale Menschmodelle für die Evaluierung und das Design ein. Zudem testen wir die mechanischen Eigenschaften von Exoskeletten mit hochzuverlässigen Methoden zur Produktcharakterisierung und Dauerhaltbarkeit.

Ein spannendes neues Forschungsfeld ist der Einsatz von Exoskeletten in der sekundären und tertiären Prävention. Können Sie mehr darüber berichten?
Dr. Urs Schneider: Ja, das ist ein besonders vielversprechender Bereich. Gemeinsam mit Integrationsinstitutionen in Deutschland untersuchen wir, ob und wie Exoskelette Menschen mit Behinderungen unterstützen können. Unser Ziel ist es, eine systematische Methodik für die Auswahl und Implementierung dieser Technologie zu entwickeln.

Was ist der Exoworkathlon und welche Erkenntnisse liefert dieses Format?
Dr. Urs Schneider: Der Exoworkathlon ist eine prospektive Exoskelett-Studie, die Exoskelette unter realistischen Arbeitsbedingungen testet. Wir definieren verschiedene Parcours in Zusammenarbeit mit Experten aus relevanten Branchen und dem Gesundheitswesen. Diese Parcours sollen praxisnah, umsetzbar und für den Exoskelett-Einsatz relevant sein. Studienergebnisse und tiefere Einblicke sind auf www.exoworkathlon.de zu finden.

Welche Highlights erwarten Besucher auf der A+A 2025 im Bereich Exoskelette?
Dr. Urs Schneider: Ein besonderes Highlight ist der Exo Park, ein großer Gemeinschaftsstand, den wir gemeinsam mit der Messe Düsseldorf organisieren. Hier können Besucher Exoskelette selbst ausprobieren und sich über die neuesten Entwicklungen informieren. Zudem wird die Live-Demonstration des Exoworkathlon präsentiert, die zeigt, wie Exoskelette in der Praxis unterstützen können. Parallel dazu findet die Wear RAcon Europe Konferenz statt, bei der Experten technologische und ergonomische Themen rund um Exoskelette diskutieren werden.
Unter dem Leitthema „Der Mensch zählt“ wird Düsseldorf vom 4. bis 7. November 2025 erneut zum Treffpunkt der internationalen Fachcommunity für die Zukunft der Arbeit. Besucherinnen und Besucher erwartet ein umfassender Überblick über aktuelle Entwicklungen und Trends – mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und New Work. Zahlreiche Formate laden zudem zum fachlichen Austausch und Networking ein.

Text: Messe Düsseldorf/
A+A 2025