• Fachbeitrag

Wie moderne PSA Sicherheit, Stil und Verantwortung vereint

PSA ist längst kein Randthema mehr. Sie muss nicht nur zuverlässig schützen, sondern auch gesetzlichen Normen entsprechen, praktikabel sein und zunehmend modische Aspekte berücksichtigen. Neben der Frage nach geschlechter­spezifischer Passform rückt gleichzeitig die ergonomi-sche Vielfalt in den Fokus. Nicht alle Körper­formen lassen sich über Standardgrößen abbilden. Wir haben Thomas Lange zum Gespräch eingeladen, um zu klären, was PSA heute alles können sollte.

Foto: Messe Düsseldorf

Schutz mit System: Ein Interview mit Thomas Lange von German Fashion

A+A: Herr Lange, wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen bei PSA, was die gesetzlichen Anforderungen angeht? Werden die Vorschriften eher strenger oder zunehmend komplexer?
Thomas Lange: Die gesetzlichen Anforderungen an PSA sind in den letzten Jahren nicht nur strenger, sondern vor allem komplexer geworden. Die PSA-Verordnung (EU) 2016/425 stellt hohe Anforderungen an Konformität, Prüfverfahren und Dokumentation – und sie wird laufend ergänzt. Parallel dazu erleben wir eine starke Verzahnung mit anderen Themenfeldern wie zuallererst Nachhaltigkeit, Diversität und Digitalisierung. Das erfordert von Unternehmen ein deutlich tieferes Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen – insbesondere bei der Markteinführung neuer Produkte oder der Individualisierung von PSA.

A+A: Wie gut sind Unternehmen auf diese Anforderungen vorbereitet, und welche Rolle spielt dabei das Zusammenspiel von Einkauf, Produktentwicklung und Arbeitsschutz?
Thomas Lange: Grundsätzlich sind die Unternehmen sehr gut aufgestellt. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die einzelnen Bereiche im Unternehmen interdisziplinär zusammenarbeiten, um gesetzeskonforme und gleichzeitig praxisgerechte Lösungen auf den Markt zu bringen.

A+A: Wie ist es rechtlich zu bewerten, wenn ein Betrieb zwar PSA bereitstellt, diese aber für bestimmte Mitarbeiter, etwa mit besonderem Körperbau, nicht geeignet oder gar untragbar ist? Gibt es hier bereits Pflichten zur individuellen Ausstattung?
Thomas Lange: Ja, absolut. Der Arbeitgeber hat nicht nur die Pflicht, PSA bereitzustellen, sondern auch dafür zu sorgen, dass diese geeignet ist – und das bedeutet: Sie muss passen und tragbar sein. Wenn Mitarbeiter aufgrund unpassender Ausstattung gefährdet sind oder ihre Tätigkeit nicht ausführen können, besteht ein rechtliches Risiko. Aus dem Arbeitsschutzgesetz und der PSA-Benutzerverordnung ergibt sich ganz klar: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, individuelle Anforderungen zu berücksichtigen – auch wenn das bedeutet, Sondergrößen oder Spezialanfertigungen zu beschaffen.

A+A: Im Rahmen der German Fashion Akademie bieten Sie die berufsbegleitende Weiterbildung zur PSA-Fachkraft an. Was genau lernen die Teilnehmer, und was macht diese Qualifikation so besonders?
Thomas Lange: Unsere Weiterbildung zur PSA-Fachkraft vermittelt das notwendige Praxis-Know-how, um PSA rechtssicher zu entwickeln, zu beschaffen und in den Verkehr zu bringen. Die Teilnehmer:innen lernen nicht nur die relevanten gesetzlichen Grundlagen, sondern auch die kon-kreten Anforderungen aus Normen, Zertifizierungsverfahren und Produktprüfung. Besonders ist der modulare Aufbau mit Experten aus der Theorie und Praxis eng verzahnt.

A+A: Welche beruflichen Hintergründe bringen Ihre Teilnehmer mit?
Thomas Lange: Das ist sehr vielfältig – und genau das macht die Ausbildung auch so lebendig. Wir haben Teilnehmer:innen aus dem Einkauf, aus der Produktentwicklung, der Qualitätssicherung, aber auch Sicherheitsfachkräfte und sogar Designer:innen. Die Mehrzahl sind Mitarbeiter aus Arbeits- Berufs- und Schutzbekleidungsunternehmen.

A+A: In vielen Unternehmen wird PSA vor allem über den Arbeitsschutz betrachtet. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass auch Einkauf, Produktentwicklung und Design ein fundiertes Verständnis für PSA-Anforderungen haben?
Thomas Lange: PSA ist heute kein reines Arbeitsschutzprodukt mehr. Sie ist ein komplexes Systemprodukt, das gleichzeitig funktional, rechtssicher, wirtschaftlich und tragbar sein muss. Der Einkauf muss verstehen, welche Anforderungen über den Preis hinaus relevant sind. Die Produktentwicklung braucht rechtliches Know-how, um spätere Beanstandungen zu vermeiden oder im Sinne neuer Gesetzesanforderungen up-to-date zu sein. Und das Design ist entscheidend für Tragekomfort, Passform, Look und Akzeptanz. Nur ein gemeinsames Verständnis führt zu besseren Produkten und weniger Haftungsrisiken.

A+A: In vielen Branchen wird beklagt, dass PSA nicht richtig sitzt, besonders bei Frauen, aber auch bei Menschen mit sehr kleinen oder großen Größen, besonderen Körperformen oder körperlichen Einschränkungen. Welche Bedeutung hat dieses Thema aus rechtlicher Sicht? Gibt es bereits normative oder haftungsrechtliche Anforderungen, die eine passformsichere Ausstattung verlangen?
Thomas Lange: Ja, diese Anforderungen sind bereits heute relevant. Wenn PSA nicht passt, erfüllt sie ihren Zweck nicht – und das kann haftungsrechtliche Folgen haben. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Eignung individuell sicherzustellen. Das bedeutet: Eine Standardgröße reicht nicht aus, wenn sie nicht sitzt. Auch die Normen – etwa DIN EN ISO 13688 – fordern eine geeignete Passform. In der Praxis heißt das: Es muss in die Vielfalt investiert werden. Nur so lassen sich rechtliche Risiken, aber auch Unfälle und Unzufriedenheit vermeiden.

A+A: Der Utility-Look ist bei der Gen Z sehr beliebt. Wo ziehen Sie die Grenze zwischen modisch inspirierter Workwear und rechtlich zulassungspflichtiger PSA? Gibt es Beispiele, bei denen diese Vermischung riskant ist?
Thomas Lange: Die Grenze liegt ganz klar in der Schutzfunktion. Sobald ein Kleidungsstück eine Schutzfunktion beansprucht – etwa gegen Hitze, Chemikalien oder mechanische Risiken – muss es zertifiziert sein. Insbesondere bei dem höchsten Schutz, wo es um Leib und Leben geht, steht Sicherheit natürlich vor Trendbewusstsein.

A+A: Wie sensibel müssen Unternehmen werden, wenn modische Trends plötzlich sicherheitsrelevante Kleidung optisch imitieren, aber keine Schutzfunktion bieten?
Thomas Lange: Sehr sensibel. Die optische Imitation kann dazu führen, dass Mitarbeitende oder Dritte eine falsche Sicherheit erwarten. Auch hier besteht eine Haftungsgefahr. Unternehmen sollten genau dokumentieren und kommunizieren, welche Kleidungsstücke PSA sind – und welche nicht. Eine klare Abgrenzung ist unerlässlich, insbesondere wenn im gleichen Betrieb sowohl modisch inspirierte Workwear als auch echte PSA getragen wird.

A+A: Die Branche spricht immer mehr von Recyclingfähigkeit, Transparenz und Nachhaltigkeit. Wie stark beeinflusst das auch PSA-Produkte und was müssen Unternehmen in diesem Zusammenhang konkret beachten?
Thomas Lange: Nachhaltigkeit ist für die Unternehmen der PSA-Branche längst in ihren Abläufen verankert. Jedoch ist Bedarf bei dem Punkt, dass bei PSA immer die Sicherheit des Nutzers an oberster Stelle stehen sollte.

A+A: Wenn Sie im PSA-System einen Hebel betätigen könnten, etwa bei Normen, Schulungen oder Produktdesign, was würden Sie ändern, damit PSA nicht nur schützt, sondern auch in Passform, Komfort und Design den Bedürfnissen der Träger:innen besser gerecht wird?
Thomas Lange: Die Verantwortung des Herstellers für sein Produkt sollte ernst genommen und nicht gleichzeitig mit Bevormundung der Behörden und Zertifizierungsstellen in Frage gestellt werden. Es kann nicht sein, dass Hersteller – zu Recht – in die Produktverantwortung genommen werden, aber andererseits nicht frei entscheiden können, wie sie ihr Produkt bewerben und vermarkten.

Die Fragen stellte das Medien-Team der A+A
Die A+A ist die weltweit führende Fachmesse für Persönlichen Schutz, Betriebliche Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Alle zwei Jahre bringt sie internationale Entscheiderinnen und Entscheider, Fachbesucherinnen und Fachbesucher sowie Visionärinnen und Visionäre aus Industrie, Handwerk, Dienstleistung, Wissenschaft und Politik in Düsseldorf zusammen. Dieses Jahr findet sie vom 4. bis zum 7. November statt.